Das Internationale Bauhaus-Kolloquium in Weimar 1976–2019
Ein Beitrag zur Wiederaneignung des Bauhauses
Das Internationale Bauhaus-Kolloquium der Bauhaus-Universität Weimar ist heute eine
renommierte internationale Konferenz zu aktuellen Fragen der Theorie und Geschichte der
Architektur mit besonderem Hinblick auf die Geschichte des Bauhauses und seiner
Wirkungsgeschichte.
Das Kolloquium wurde 1976 etabliert, um die Rekonstruktion des Bauhaus-Gebäudes in Dessau –
eine Initiative, die ganz wesentlich von Architekten und Professoren an der Hochschule für
Architektur und Bauwesen in Weimar vorbereitet und begleitet wurde – zu feiern. Sowohl die
Wiedereröffnung des Bauhaus-Gebäudes in Dessau, als auch die Einladung internationaler Gäste
aus Ost und West nach Weimar, markierte einen wichtigen Moment in der Ende der 1970er Jahre
langsam einsetzenden Bauhaus-Rezeption der ehemaligen DDR. Diese Treffen in Weimar, die etwa
alle drei bis vier Jahre mit Forschern, Theoretikern, Künstlern, Architekten und früheren
Mitgliedern des Bauhauses stattfanden, testeten in ihren Vorträgen und Äußerungen, was unter
den damaligen politischen Verhältnissen gesagt werden durfte und was man über den Verbleib
der Objekte und Personen des Bauhauses, sowie über Sammlungs- und Denkmalschutzinitiativen
wusste.
In den 1960er Jahren, als das Bauhaus in der DDR noch ein Tabu war, verlief die Diskussion an der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) Weimar über die Aufarbeitung der Bauhaus-Geschichte in zwei Richtungen. In Dessau wurden praktische Arbeiten zur Erhaltung des architektonischen Erbes des Bauhauses unternommen, während in Weimar die wissenschaftliche Bewertung der hundertjährigen Geschichte der Universität langsam begann. Die ohnehin schon komplexe Geschichte des Staatlichen Bauhauses in Weimar zwischen 1919 und 1925 ließ sich nicht ohne die Geschichte seiner Nachfolgeeinrichtungen erforschen und erzählen. Nach dem Wegzug des Staatlichen Bauhauses nach Dessau übernahm 1926 der sozialdemokratisch gesinnte Direktor Otto Bartning die Leitung der Staatlichen Akademie für Handwerk und Architektur, die jedoch 1930 unter dem nationalsozialistischen Druck zur Schließung gezwungen wurde. Ihr folgte 1930 die Staatliche Akademie für Architektur, Bildende Kunst und Kunsthandwerk in Weimar unter der Leitung des Nationalsozialisten Paul Schultze-Naumburg, der bis 1945 die Schule auf die nationalsozialistische Kulturpolitik ausrichtete. Nach dem Krieg fand die 1946 neugegründete Hochschule für Baukunst und Bildende Künste unter der stalinistischen Politik der sowjetischen Besatzungszone und später in der jungen DDR keinen Weg zur Aufarbeitung und Beschäftigung mit der Geschichte des Bauhauses. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis sich an der 1954 gegründeten Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (HAB), unter anderem auch durch Lehr-und Forschungsprojekte von Dozenten, die ehemals am Bauhaus studierten hatten, ein öffentlicheres Interesse an der Bauhaus-Geschichte entwickelte.
Erst in den frühen 1970er Jahren etablierte sich in der DDR die Bauhaus-Geschichte als Forschungsfeld und Erbe. Das wiederkehrende Internationale Bauhaus-Kolloquium in Weimar, das als akademische Veranstaltung aus Anlass der Wiederherstellung des Bauhaus-Gebäudes in Dessau und mit dem Ziel die Geschichte des Bauhauses an der HAB zu reflektieren, eingerichtet wurde, war ein Ergebnis dieses Prozesses und trug auch in den folgenden Jahren zur Rezeption des Bauhauses sowohl in der DDR und den damals sozialistischen Ländern als auch in den westlichen Staaten bei.
Über diese Webseite
Diese Webseite zur Geschichte des Internationalen Bauhaus-Kolloquiums geht auf eine von Ines Weizman, Norbert Korrek und Christiane Wolf kuratierte Ausstellung zum XIII. Internationalen Bauhaus-Kolloquium im Jahr 2016 zurück. Dieses von Ines Weizman unter dem Titel ›Dust and Data‹ organisierte Bauhaus-Kolloquium reflektierte sowohl die Geschichte des Bauhauses an den ursprünglichen Wirkungsstätten Weimar, Dessau und Berlin und die Geschichte seiner internationalen Rezeption und Migration, als auch das vierzigjährige Jubiläum der Konferenz. Das Bauhaus-Kolloquium, das durch seine Geschichte inzwischen selbst zu einer historiographischen Institution, einem Barometer in einer sich verändernden politischen und kulturellen Landschaft geworden ist, wurde zum Anlass genommen, über neue Methoden der Geschichtsschreibung und der Produktion und Analyse von Architektur nachzudenken. Die 2019 im Verlag Spector Books Leipzig erschienene Publikation „Dust & Data. Traces of the Bauhaus across 100 Years” präsentiert und vertieft das Spektrum der Aufsätze und Präsentationen dieses Kolloquiums und der Ausstellung zu seiner vierzigjährigen Geschichte.
Die Ausstellung „Das Internationale Bauhaus-Kolloquium in Weimar 1976 bis 2016: Ein Beitrag zur Bauhaus-Rezeption“ im Hauptgebäude der Bauhaus-Universität bestand aus zwei Teilen. Der von Norbert Korrek und Christiane Wolf verfasste »Prolog« dokumentierte die Diskussionen um das Erbe des Bauhauses in den 1960er und 1970er Jahren an der HAB und behandelte die Vernetzung zwischen dem Bauhaus Dessau und der HAB und den praktischen und akademischen Beitrag ihrer Architekturabteilung bei der Renovierung des Bauhaus-Gebäudes in Dessau.
Der zweite Teil der Ausstellung „Entwicklung“ zur Geschichte des Internationalen Bauhaus-Kolloquiums, der hier als Webseite noch einmal vorgestellt wird, entstand in einem Lehr- und Forschungsprojekt in Zusammenarbeit zwischen den Kuratoren und Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar und dem Centre for Documentary Architecture (CDA), das die Interviews und filmische Dokumentation der Forschungsarbeiten betreute. Dokumente, Fotos und Gespräche mit Veranstaltern, Referenten und Gästen zeigen die vierzigjährige Geschichte dieser prestigeträchtigen Konferenz als historiographische Institution. Vor der politischen Wende von 1989 war das Kolloquium ein Ort, an dem Redner den damals offiziell bestätigten Empfang des Bauhauses nutzten, um die wachsenden Grenzen dessen zu testen, was unter einem langsam schmelzenden autoritären Regime gesagt werden konnte. Nach 1989 bewegten sich Redner und Gäste weiter, um Wissen über den Verbleib von Objekten und Akteuren des Bauhauses oder über Archivierungs- und Erhaltungsinitiativen sowie Fragen zur Geschichte und Theorie der Architektur und ihrer Verbindung zur Politik zu vermitteln. Interviews, die von Studierenden unter der Leitung von Ines Weizman und Norbert Korrek geführt und vom CDA übersetzt, bearbeitet und produziert wurden, dokumentieren diese komplexe Geschichte und Bedeutung der Konferenz.
Wir möchten herzlichst unseren Interviewpartnern für ihre Stellungnahmen, die Bereitstellung
Ihrer Forschungsmaterialien und die Genehmigung zur Publikation danken. Professor Alfred
Grazioli verstarb leider im Frühjahr 2018. Wir danken seiner Familie für die freundliche
Genehmigung zur Publikation.
Besonderer Dank gilt Dr. Norbert Korrek, der bis 2013 die Organisation der
Bauhaus-Kolloquien, zunächst in Zusammenarbeit mit Prof. em. Dr. Christian Schädlich und
später mit den Professoren des Lehrstuhls Theorie und Geschichte der modernen Architektur an
der Bauhaus-Universität Weimar begleitet hat und somit ein enormes Wissen zur
Universitätsgeschichte und zur Geschichte des Bauhaus-Kolloquiums beitragen konnte. Weiterer
besonderer Dank gilt Frau Dr. Christiane Wolf, Leiterin des Archivs der Moderne, und ihren
Mitarbeiter*innen sowie den Mitarbeiter*innen des Universitätsarchivs der
Bauhaus-Universität Weimar, die die Forschung freundlich unterstützt und die Reproduktion
von Bild- und Quellenmaterial genehmigt haben.
Mitwirkende
Webseite
Projektleitung
- Ines Weizman
Gestaltung und Umsetzung Webseite
Ausstellung „Das Internationale Bauhaus-Kolloquium in Weimar 1976 bis 2016: Ein Beitrag zur Bauhaus-Rezeption. Entwicklung“, 2016
Kuration
- Ines Weizman
Gestaltung Ausstellung
- Moritz Ebeling
- Robin Weißenborn
Ausstellungsarchitektur
- Simon Heidenreich
Koordination Ausstellungsproduktion
- Anna Luise Schubert
Übersetzung
- Zsófia Kelm
- Claire Seringhaus
- Lena Laine
- David Keogh
Filmediting und Produktion
Produktionsleitung Film
- Ines Weizman
- Wolfram Höhne
Regie und Aufnahme Interviews
- Lena Laine
- David Keogh
- Annika Eheim
- Adrienne Michels
Schnitt Interviews
- Lena Laine
- Sonja Kettel
Fotorecherche und Zusammenstellung der Fotoalben
- Anna Luise Schubert
Bearbeitung Film Rundfunkarchiv
- Markus Schlaffke
Vorstudie der Studierenden im Projekt „Staub, Patina, Zelluloid. Rekonstruktionen der Moderne in Bild, Architektur und Film.“, Wintersemester 2015/16, betreut durch Ines Weizman, Norbert Korrek, Christiane Wolf, Wolfram Höhne, Markus Schlaffke, Volkmar Umlauft
- Lena Laine
- David Keogh
- Annika Eheim
- Adrienne Michels
- Hanna Jaakonmäki
- Ji Luo
- Benoit Margez
- Zongbin Yang
- Li Yuanguan
Für die Gespräche danken wir:
- Hilde Barz-Malfatti
- Marco De Michelis
- Bruno Flierl
- Chup Friemert
- Alfred Grazioli
- Peter Hahn
- Karl-Heinz Hüter
- Charles Jencks
- Norbert Korrek
- Michael Müller
- Christian Schädlich
- Michael Siebenbrodt
- Wolfgang Thöner
- Olaf Weber
- Karin Wilhelm
- Gerd Zimmermann
Unser Dank gilt auch:
- Christiane Wolf (Archiv der Moderne/ Universitätsarchiv Weimar)
- Achim Kunze (Archiv der Moderne/ Universitätsarchiv Weimar)
- Petra Goertz (Archiv der Moderne/ Universitätsarchiv Weimar)
- Archiv der Stiftung Bauhaus Dessau
- Bauhaus-Archiv Berlin
Dank für die Genehmigung der Reproduktion von Fotografien an:
- Claus Bach
- Tobias Adam
- Jens Hauspurg
- Roemer van Toorn
- Addison Godel
- Günter Höhne
- Archiv der Moderne/ Universitätsarchiv Weimar
Das Projekt wurde gefördert durch:
- Bauhaus100, Bauhaus-Universität Weimar
- Kreativfonds, Bauhaus-Universität Weimar
- Frauenförderfonds, Bauhaus-Universität Weimar
- Bauhaus-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung
- Archiv der Moderne/ Universitätsarchiv Weimar
- Centre for Documentary Architecture
Literatur
Bernd Grönwald, “Kulturpolitische Bedeutung und gesellschaftliche Wirkung der Pflege und Aneignung des Bauhauserbes in der DDR”, in Wissenschaftliche Zeitschrift Hochschule für Architektur und Bauwesen, Weimar 4/5, 1979, 309–312
Harald Kegler, “Wiederholung als Chance: Die Bauhaus-Kolloquien in Weimar und Dessau”, in Städtebau-Debatten in der DDR: Verborgene Reformdiskurse, hrsg. Christoph Bernhardt, Theater der Zeit, 2012, 163–176
Rixt Hoekstra, “Thinking about the Bauhaus from the Other Side: The History of the Bauhaus Kolloquium in Communist Germany”, in Studies in History and Theory of Architecture 1, 2013, 90–104, 91–102
Norbert Korrek, “‘Architektur und Macht’: Podiumdiskussion zum 6. Internationalen Bauhaus-Kolloquium Weimar 1992”, in Wirklichkeitsexperimente: Architekturtheorie und praktische Ästhetik; Festschrift zum 60. Geburtstag von Gerd Zimmerman, hrsg. Jörg H. Gleiter, Norbert Korrek et al., Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2006, 221–277
Norbert Korrek, “Zur Bauhaus-Rezeption an der Weimarer Hochschule von 1945–1979”, in Wir sind, wir wollen, wir schaffen: Von der Grossherzoglichen Kunstschule zur Bauhaus Universität Weimar 1860–2010, Vol. II, hrsg. Frank Simon-Ritz, Klaus Jürgen Winkler, Gerd Zimmerman, Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2012, 177–227
Norbert Korrek, Christiane Wolf, Das internationale Bauhaus-Kolloquium in Weimar 1976 bis 2016: Ein Beitrag zur Bauhaus-Rezeption; Dokumentation, Ausstellungsteil, Prolog, Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2016
Ines Weizman, Dust & Data. Traces of the Bauhaus across 100 Years, Spector Books, Leipzig 2019
Bauhaus-Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Planung (ed.), 100+ Neue Perspektiven auf die Bauhaus-Rezeption. Mit einem Vorwort von Ines Weizman, Jovis, Berlin 2021